Wie bereits dargestellt ist Vertrauen ein zentraler Erfolgsfaktor für jedes Team und jede Organisation. Deshalb ist der Aufbau von Vertrauenskultur im Team eine der wichtigsten Führungsaufgaben und das Fundament für positive Arbeitsbeziehungen und langfristige Erfolge.
Führungskräfte, die im Hochschulkontext aktiv und transparent, d.h. mit klar kommunizierten Zielen und Reglements, daran arbeiten, Vertrauen zu kultivieren, schaffen ein positives Arbeitsumfeld, in dem Motivation, Kreativität und Leistungsbereitschaft wachsen und gedeihen können. Vertrauenskultur im Team unterstützt die persönliche und berufliche Entwicklung der Teammitglieder und schafft ein Arbeitsumfeld, in dem sich Mitarbeiter:innen sicher fühlen, ihre Anliegen und Bedenken zu äußern, ihre Ideen zu teilen und auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten.
„Wer etwas Mutiges machen soll, muss sich sicher fühlen“, denn unser individuelles Gefühl von Sicherheit hat unmittelbare Auswirkungen auf unsere Leistungsfähigkeit, so Krogerus und Tschäppeler (ebd. 2023).
Abbildung: Krogerus und Tschäppeler 2023: 44 / nach Amy Edmondson, die 1999 den Begriff „psychologische Sicherheit“ geprägt hat
„Wer sich unsicher fühlt und nicht performt, hat innerlich gekündigt und befindet sich in der Apathie-Zone.
Wer sich unsicher fühlt und stark performt, ist in der Angst-Zone.
Wer sich sicher fühlt und schwach performt, suhlt sich in der Komfort-Zone.
Wer sich sicher fühlt und stark performt, ist in der Lern-Zone.“
In der Lern-Zone trauen Menschen sich zuzugeben, dass sie etwas nicht verstanden haben, Hilfe benötigen oder nicht weiter wissen. In der Lernzone macht es keine Angst, sondern Freude, der Kreativität freien Lauf zu lassen und verrückte oder unfertige Ideen zu präsentieren, Fehler zuzugeben oder andere auf ihre offensichtlichen (Denk-)Fehler hinzuweisen.
„Menschen sind lustiger, freundlicher, einfallsreicher, empathischer und mutiger, wenn sie sich sicher fühlen. … Wer psychologische Sicherheit herstellen möchte, sollte bei sich selbst anfangen.“ Gerade im Hochschulkontext wird die ohnehin vorhandene Tendenz verstärkt, Schwächen zu verbergen und Stärken zu betonen. Auch meiner Erfahrung nach bewährt sich, was Krogerus und Tschäppeler empfehlen und was im Hochschulkontext besonders ungewohnt ist: „Die drei wichtigsten Sätze, die man in einer Gruppe sagen kann, um die psychologische Sicherheit [aller] zu erhöhen, sind diese:
- Was denkst du?
- Ich habe unrecht (gehabt).
- Danke, dass du das gemacht hast.“ (ebd., S. 45)
Wo dies möglich ist und Vertrauen herrscht, können Menschen nicht nur gelassener mit großen Anforderungen und Herausforderungen umgehen, sondern auch mit Veränderungen umgehen, denen sie sich in ihrer Lernzone gewappnet fühlen und als angemessene Herausforderungen begrüßen können.
Bausteine positiver Vertrauenskultur
Nun stellt sich die praktische Frage: Wie lässt sich Vertrauenskultur im Team gezielt entwickeln? Dieser Beitrag schlägt erste Schritte und Maßnahmen vor, mit denen Führungskräfte eine nachhaltige Vertrauenskultur als Teil einer positiven Führungskultur in und mit ihrem Team etablieren können.
Transparente Kommunikation
Vertrauen beginnt mit offener Kommunikation – was so selbstverständlich scheint, ist im Hochschulkontext eine besondere Herausforderung: Die akademische Kommunikation ist oft von Vorsicht, Taktik und Mehrbödigkeit geprägt; mitunter auch von der Unsicherheit, welcher Rahmen der passende ist und welche Sorgfaltspflichten im Umgang mit Informationen eigentlich gelten.
Transparente Kommunikation ist eine strukturierte Kuration der Informationsflüsse in Teams, die die Grundlage für souveränes und effektives Arbeiten schafft und gleichzeitig wesentlich zur psychologischen Sicherheit beiträgt. Wir stellen drei wichtige Schritte vor:
Herrscht Klarheit? Beginnen Sie im Team mit der Reflexion und dem Austausch über die folgenden Aspekte:
- Zielklarheit: Herrscht Klarheit und Einigkeit über die Ziele der Zusammenarbeit?
- Erwartungsklarheit: Was erwarte ich als Führungskraft von den Teammitgliedern? Was erwarten die Teammitglieder von den (lateralen oder weisungsbefugten Führungskräften) und den anderen Teammitgliedern oder externen Kooperationspartner:innen?
- Prozessklarheit: Welche Prozesse sind bereits für die Zusammenarbeit aufgesetzt? Erfüllen diese Prozesse ihren Zweck und dienen sie den o.g. Zielen der Koopertion? Welche Prozesse sind (und bleiben aus guten Gründen) offen, welche setzen wir jetzt oder in Zukunft gemeinsam auf?
- Ressourcenklarheit: Welche Ressourcen stehen uns für die gemeinsame Arbeit und für das Erreichen der Ziele zur Verfügung? Wie kommen Teammitglieder an die für ihre Arbeit benötigten Ressourcen? Wie können Führungskräfte und Teammitgliedern mit der vorhandenen persönlichen Arbeitskraft ressourcenorientiert, d.h. schonend und nachhaltig, umgehen und kollektiven oder individuellen Ressourcenverschleiß verhindern?
Funktioniert das Informationsmanagement?
- Welche Informationen müssen und möchten Sie erhalten?
- Welche Informationen müssen im Team (auf welchem Weg) geteilt werden?
- Welche Feedback- und Meldekanäle sind eingerichtet?
Sie können als Kriterium immer wieder die Prüffrage anlegen, ob die jeweiligen Informationen rollen- und aufgabenrelevant sind sowie ob sie in einen formellen oder in einen eher informellen Rahmen passen.
Nutzen Sie die zu Ihnen, Ihren Mitarbeiter:innen und Ihren und deren Bedürfnissen passenden Formate?
Ein dritter Schritt besteht in der Etablierung passender Informationsformate. Viele Teams nutzen den Jour fixe als Mischformat für alle möglichen Anliegen – räumen Sie auf. Prüfen Sie, ob das Format „gemischte Infos“ für Sie passt, funktional ist gleichzeitig und zur individuellen psychologischen Sicherheit beiträgt. Ggf. sind für Fragen der Arbeitsorganisation und Absprachen andere Formate möglicherweise besser geeignet sind, etwa ein 30minütiges Weekly Standup.
Dieses auf gegenseitige Information ausgelegte Format kann gut online durchgeführt werden. Die Aufgabe an alle Teammitglieder ist ein kurzes Statement zum Stand teambezogener Aufgaben. Ein wesentliches Element der Vertrauenskultur ist dabei auch die Übernahme individueller Zeitverantwortung. Wenn es heißt: „30 Minuten“, dann sollte das Meeting auch nicht wesentlich länger dauern.
Integrität und Verlässlichkeit
Gerade der Rückzug in die Rolle oder auf das Argument der „Wissenschaftsfreiheit“ suggeriert mitunter, die akademische Arbeit entferne sich von persönlicher Prägung. Wir wissen jedoch sowohl aus Arbeitsmarktstudien als auch aus der umfassenden Erfahrung von Workshops und Coachings, dass die Persönlichkeit der Führungspersonen – ebenso wie die der Teammitglieder – einen zentralen Einfluss auf die Vertrauenskultur im Team hat.
Das heißt, dass intuitive Faktoren in der Zusammenarbeit eine viel größere Rolle, als wir sie mit „Tools“ und Strukturen fassen können.
Der schönste Kommunikationsplan im Team ist wirkungslos, wenn sich einzelne Teammitglieder und vor allem die Führungskraft nicht daran hält. Ein Workshop zum Thema Vertrauenskultur zeitigt keine Folgen, wenn unausgesprochen bleibt, dass die Beziehungsebenen gestört sind und aus persönlichen Gründen oder aufgrund schlechter Vorerfahrungen der Führungsperson kein Vertrauen entgegengebracht wird. Dann mag der Eindruck entstehen, es handele sich beim Thema „Vertrauenskultur“ um eine Art Managementmode oder ein Förderkriterium, dem Genüge getan werden muss, jedoch nicht um ein ernstgemeintes Anliegen, hinter dem Führungskräfte persönlich stehen.
Darum ist die persönliche Integrität ein zentraler Faktor für die Vertrauenskultur im Team. Sie beginnt mit ganz kleinen, alltäglichen Handlungen:
- Nichts versprechen, was nicht einzuhalten ist.
- Versprechen und Zusagen einhalten.
- Die Gründe für etwaiges Zögern und Zurückhaltung nennen. Es genügt oft schon ein ehrliches „Ich weiß es (noch) nicht.“
- Worte und Taten sollten immer konsistent sein.
- Andere Menschen mit demselben Respekt behandeln, den man auch für sich selbst wünscht.
- Vertrauliches bleibt vertraulich.
- Keine Vorteile auf Kosten anderer suchen.
- Für die eigenen Werte und die der Institution, die man vertritt, einstehen – auch, wenn dies auf Kosten kurzfristiger Vorteile oder prozessualer Abkürzungen geht.
Vertrauen schenken
Vor diesem eher pragmatischen Hintergrund können Sie Vertrauenskultur etablieren, indem Sie – vertrauen. Obwohl es in einem komplexen System wie der Wissenschaft nicht leicht ist, die bürokratischen und hierarchischen Aspekte in konstruktive Verhältnisse zu Freiheiten und undefinierten Räumen zu setzen, können Sie dem Team und den Teammitgliedern den Raum geben, eigene Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für ihre Rollen zu übernehmen. Auch wenn es mitunter schwerfällt: kein Micromanagement. An die Stelle kann die Frage treten: „Was brauchst du, um diese Aufgabe allein zu erledigen?“
Durch Delegieren und explizite Vertrauensaussprache können Sie eine Atmosphäre schaffen, in der sich Teammitglieder kompetent, arbeitsfähig und wertgeschätzt fühlen.
Fazit: Vertrauenskultur als Grundlage einer positiven Führungskultur
Der Aufbau von Vertrauenskultur im Team ist ein kontinuierlicher Prozess, der von Führungskräften bewusste Entscheidungen, Integrität und Engagement verlangt. Es geht darum, durch transparente Kommunikation, persönliche Verlässlichkeit, positive Fehlerkultur und das Vertrauen in die Fähigkeiten der Teammitglieder eine solide Basis zu schaffen, auf der alle gemeinsam wachsen und erfolgreich arbeiten können. Führung bedeutet, den Raum zu schaffen, in dem Menschen sich sicher, gehört und wertgeschätzt fühlen – und genau das macht Vertrauenskultur aus.
Vertrauenskultur erfordert Zeit und Beharrlichkeit, doch die Investition lohnt sich: Die positive Führungskultur, die daraus entsteht, ist das Fundament eines starken, widerstandsfähigen Teams, das auch in unsicheren Zeiten zusammenhält, sich gegenseitig stützt und die häufigen personellen Veränderungen in akademischen Teams gut integrieren kann.
Führungskräfte in Hochschulen müssen angesichts struktureller Unsicherheiten zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um psychologische Sicherheit zu fördern. Durch transparente Kommunikation, klare Trennung von Rollen, Unterstützung bei der Karriereentwicklung und das Etablieren einer positiven Fehlerkultur können sie ein Umfeld schaffen, in dem sich Mitarbeiter:innen trotz der Herausforderungen sicher und wertgeschätzt fühlen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, das Vertrauen zu stärken und die Innovationskraft der wissenschaftlichen Arbeit zu fördern.
Weiterlesen:
Krogerus, Mikael; Tschäppeler, Roman, 2023²: Zusammenarbeiten, Ein Wegweiser, um gemeinsam Grosses zu erreichen, Berlin: kein&aber,
Lausch, K., 2023: Trust me. Warum Vertrauen die Zukunft der Arbeit ist. Freiburg, München, Stuttgart: Haufe Group.
Zbinden, M., 2022: Menschlichkeit in der Führung. Mitarbeitende und Organisationen authentisch und erfolgreich führen. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler.
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